Kunstflug – Segelkunstflug in Achmer



Segelkunstflug hat im Osnabrücker Verein für Luftfahrt zwar eine nicht so lange Tradition wie der Streckenflug, aber immerhin gab es schon im Jahr 1988, nach dem Kauf der ersten ASK 21, Lehrgänge für die Anfängerschulung. Trotzdem war es, abgesehen von Loopings, Turns und Rückenflug der wenigen Piloten mit Kunstfluglizenz, um diese Sparte unseres Sports eher ruhig geworden.

Erst mit dem Bau einer Lo100 durch Hermann Hackmann, Ulf Ewert, Irene und Erich Höcker, sowie weiteren Kunsfluglehrgängen, in denen mehrere neue Piloten die Lizenz erwarben, brach der Virus wieder neu aus. So ist der Kunstflug mittlerweile zu einer festen Einrichtung geworden und nicht mehr vom Flugplatz Achmer wegzudenken.

Ein weiteres Highlight war die erfolgreiche Ausrichtung der deutschen Kunstflugmeisterschaft 1996 in Achmer.

Lest hier den Bericht eines »Infizierten«:


Segelkunstflug ist die vollkommene Beherrschung des Segelflugzeugs in jeder möglichen (und unmöglichen) Fluglage. Beim Segelkunstflug geht nicht darum, besonders waghalsig zu sein. Im Gegenteil: Das Wissen um merkwürdige Fluglagen und wie man sie wieder beendet kann auch ein entscheidendes Sicherheitsplus für den fliegerischen Alltag sein. Das eigentliche Ziel eines Segelkunstfluges ist jedoch das ästhetische Aneinanderreihen von einzelnen Figuren zu einem harmonischen Programm.

Um ehrlich zu sein: Es macht aber auch einfach nur Spaß ... Zum Beispiel beim Rückenflug in den Gurten zu hängen und den Erdboden mal über sich zu haben. Oder einen perfekt runden Loop zu fliegen. Mit einer gesteuerten Rolle das Flugzeug um seine Längsachse zu drehen. Bei einer gerissenen Rolle oder beim Trudeln gezielt die Strömung am Tragflügel abreißen und das Flugzeug herumwirbeln zu lassen. Senkrecht nach oben zu fliegen und mit der letzten verbleibenden Geschwindigkeit das Flugzeug nach rechts oder links herumzudrehen und genauso senkrecht der Erde wieder entgegenzustürzen – der Turn. Dreht man dagegen das Flugzeug nicht um seine Hochachse, sondern läßt die Schnauze weiterhin senkrecht nach oben zeigen, bis die Geschwindigkeit bei Null ist, so wird es beginnen rückwärts zu fallen und nach kurzer Zeit nach vorne oder über Kopf herumschlagen und ein Männchen fliegen. Die Figuren lassen sich miteinander kombinieren so daß man eine Vielfalt von Formen in den Himmel schreiben kann.Ein Kunstflug wird von einer Jury auf einem Wettbewerb gut bewertet, wenn er harmonisch aussieht und abwechslungsreich ist. Für jede einzelne Figur wird beurteilt, ob alle Winkel stimmen (war die Senkrechte wirklich senkrecht?), ob eine Rolle auf einer geraden Linie geflogen wurde und ob ein Kreisbogen rund war. Weiterhin darf das Flugzeug während des Programms einen Luftraum von 1000 x 1000 m² Grundfläche nicht verlassen und eine Höhe von 1200 m nicht über- und 200 m nicht unterschreiten. Und so ein Kubikkilometer kann schon sehr klein sein, wenn man sich mit 250 km/h darin bewegt.

Ein Segelflugzeug muß für die Belastungen, die beim Kunstflug auftreten, gebaut und zugelassen sein und über die entsprechende Ausrüstung verfügen. Im OVfL haben wir derzeit eine doppelsitzige ASK 21, die als Allroundflugzeug auch zur Kunstflugausbildung dient. Fortgeschrittene können auf den reinrassigen Kunstflugeinsitzer Lo 100 umsteigen. Dieses Leichtgewicht aus Holz (150 kg Leermasse) wurde von einigen Mitgliedern des OVfL Anfang der 90er Jahre gebaut und verträgt Belastungen von +7 bis -5g, d.h. der Pilot kann bei den Figuren mit bis zum 7fachen seines Körpergewichts in den Sitz gedrückt werden bzw. hängt mit seinem 5fachen Körpergewicht in den Gurten.

In jedem Jahr steht die Fronleichnamswoche in Achmer unter dem Motto »Kunstflug total«. Vereinsmitglieder und Gäste aus ganz Deutschland widmen sich der Anfängerschulung, dem Üben von neuen Figuren und dem Training bis hin zur Weltmeisterschaftsvorbereitung. An der Anfängerschulung kann jeder Segelflugpilot teilnehmen, der mindestens 100 h Flugerfahrung nach Erwerb der Linzenz angesammelt hat. Zum Abschluß der Trainingswoche fliegen wir die Achmer Aerobatic Trophy aus, die aus einer bekannten Pflicht (identisches Programm für alle, kann vorher geübt werden), einer unbekannten Pflicht (kann nicht geübt werden) und einer Kür (selbstgewähltes Programm) besteht.

Zuschauer sind dazu (wie auch zum normalen Flugbetrieb) immer herzlich willkommen. Aber: Wundern sie sich nicht, wenn Sie einige junge Männer und Frauen scheinbar orientierungslos und mit seltsamen Bewegungen durch die Gegend laufen sehen, manchmal sogar mit Geräusch. Dabei handelt es sich nur um die mentale Vorbeitung, bei der der kommende Flug in allen Einzelheiten im Geist durchgespielt wird ...

In diesem Sinne: Wir sehen uns in Achmer!


Robert Kühn